Ein Gebrauchtmotorrad kaufen ist nicht einfach
Was ist beim Gebrauchtmotorradkauf zu beachten?
Es gibt offensichtliche und etwas versteckte bzw. indirekte Zeichen, die Hinweise für den Zustand eines Bikes liefern. Ein wage vormulierter Satz, doch Getriebe- und Motorschäden können auch nach wenigen Kilometern plötzlich auftreten. Wer hier rechtlich besser abgesichert sein will, sollte sein Bike beim Händler mit Garantie bzw. Gewährleistung kaufen.
Die folgenden Hinweise sind jedoch für nahezu alle Motorräder anwendbar, egal ob vom Händler oder von Privat.
Offensichtliche Kriterien
Ob Anfänger oder Fortgeschrittener, diese Kriterien lassen sich von jedem überprüfen. Auch wenn ein Motorrad durch einen Sturz nicht zwangsläufig unbrauchbar werden muss, wird hier besonders auf dieses Thema eingegangen. Sicherheit und Zuverlässigkeit sollte bei einem Motorrad immer an erster Stelle stehen!
Welchen Eindruck macht der Verkäufer?
Hier sind Hausverstand, logisches Denken und Gefühl gefragt. Nichts handfestes, aber dennoch wichtig bei der Kaufentscheidung.
Offensichtliche Kriterien
Servicenachweis
Wie beim Auto gibt es auch beim Motorrad vom Hersteller vorgeschriebene Serviceintervalle. Ein lückenloser Servicenachweis gibt Aufschluss darüber ob die Serviceintervalle eingehalten wurden bzw. wann das nächste große Service ansteht. Ein anstehendes Service bei dem die Ventile eingestellt werden kostet meist mehrere hundert Euro und kann aus einem Schnäppchen schnell ein besonders teures Vergnügen machen. Am besten solltet ihr Euch vor dem Kauf informieren bei welchem Kilometerstand welches Service für das ins Auge gefasste Motorrad durchzuführen ist.
Chats bieten hier eine der besten Möglichkeiten sich über Vor- und Nachteile eines bestimmten Motorrades zu informieren bzw. auf was beim Kauf dieses Modells besonders zu achten ist.
Reifen
Profiltiefe - 1,6mm müssen es sein. Was bringen 7mm an der Flanke, wenn ihr bei Regen fahren müsst und in der Reifenmitte keine Rille mehr zu sehen ist.
Passende bzw. zusammenpassende Reifen - Auf Grund der Gummimischung sind an Vorder- und Hinterradfelge Reifen vom gleichen Hersteller mit der zusammenpassenden Gummimischung aufzuziehen. Nur so ist gewährleistet, dass die Reifen optimal miteinander harmonieren und es bei der §57 Überprüfung sicher keine Probleme diesbezüglich gibt. Schlimmstenfalls könnte bei einem Unfall, der auf eine unpassende Reifenkombination zurückzuführen ist, die Versicherung Probleme machen.
Herstellungsdatum - Besonders bei älteren und wenig gefahrenen Motorrädern ist das Herstellungsdatum der Reifen zu überprüfen. Reifen verlieren mit zunehmendem Alter an Grip und können Risse bekommen.
Typengenehmigung - Die Vorgaben und Reifenempfehlungen des Motorradherstellers sind zu beachten.
Felgen
Die Felgen sind im Übergangsbereich von der Felge auf den Reifen auf Beschädigungen zu prüfen, die z.B. durch den Anprall an einen Randstein entstanden sind. Sollten Dellen vorhanden sein, so kann dies von einem Sturz herrühren, die Felge unwucht und der Reifen beschädigt sein. Kratzer die durch das Montieren der Reifen entstanden sind stören zwar die Optik, sind aber für das Fahren nicht erheblich.
Verkleidung
Zerkratzte und gebrochene Verkleidungsteile sind optische Schönheitsfehler die meist mit einem besonderen Preisabschlag einher gehen. Abgesehen davon, dass die Verkleidungsteile meistens sehr teuer sind, sollte unbedingt geprüft werden ob sich darunter nicht ein noch schwerwiegenderer Mangel versteckt. Ein "Umfaller" kann schon mal passieren, doch dabei kommen keine großen Dellen und keine tiefen Riefen in den Rahmen!
Rahmen
Sind keine Schleifspuren, sonstige Mängel oder Neulackierungen erkennbar, so sollte auf jeden Fall noch überprüft werden ob der Lenkanschlag eine Beschädigung aufweist bzw. der Lenker bei vollem Einschlagen (links und rechts prüfen!) auch vom Lenkanschlag und nicht erst vom Tank oder dem Rahmen gestoppt wird. (Hinweis: Es gibt Motorräder die grundsätzlich keinen Lenkanschlag haben.)
Lenker
Dieser bleibt bei Stürzen nur selten verschont. Da Lenkerenden und Hebel jedoch leicht getauscht werden können sind Spuren von Stürzen hier schnell verwischt. Bei dieser Gelegenheit solltet ihr gleich die gesamte Beleuchtungsanlage plus Blinker, Bremslicht (Hand- und Fußbetätigung) und Hupe testen. Ist die Kupplung für euch leichtgängig genug? Geht der Gasgriff von alleine wieder in Leerlaufposition und funktioniert der Not-Aus-Schalter?
Gabel und Federbein
Diese ist auf Beschädigungen und Ölaustritt im Bereich der Holme zu kontrollieren. Neben groben Spuren von Beschädigungen ist es besonders wichtig die Vorderseite der Holme in dem Bereich der "einfedert" auf Steinschläge zu untersuchen. Sollten welche vorhanden sein so können sie die Simmerringe, welche das Austreten des Gabelöles verhindern, beschädigen. [TIPP: Schutz bieten hier sogenannte Gabelprotektoren!] Ob Feder- bzw. Dämpfungswirkung in Ordnung sind, kann nur vom Fachmann mit Sicherheit bestätigt werden. Gleiches gilt natürlich auch für den hinteren Stoßdämpfer. Für dessen Schutz sollte bei Zentralfederbeinen ein (Innen)Kotflügel vorhanden sein.
Abgasanlage
Ob die Originalabgasanlagen montiert ist lässt sich durch einen geschulten Blick, Wissen von anderen Motorrädern dieses Types oder durch den Blick auf die eingestanzte bzw. auf einem Typenschild des Endschalldämpfers eingeprägte Nummer herausfinden.
Ist ein "Sportendschalldämpfer" montiert, so sollte dieser auch für den Straßenverkehr zugelassen sein. Entweder ist er in die Fahrzeugpapiere eingetragen oder er besitzt eine allgemeine Betriebserlaubnis. Diese ist mitzuführen um bei Bedarf die Zulässigkeit auch belegen zu können. (Der Nachweis wird gemeinsam mit dem Endschalldämpfer erworben.) Ist ein "db-Killer" vorhanden, so muss dieser im Straßenverkehr auch im Auspuff belassen werden damit, wie es so schön heißt, "die Betriebserlaubnis nicht erlischt".
Dass die Auspuffanlage dicht sein muss sollte selbstverständlich sein.
Lager
Um die Radlager auf ihre Funktion zu überprüfen, muss jeweils das zu prüfende Rad frei sein ("in der Luft sein"). So kann man durch Drücken und Rütteln am Rad im rechten Winkel zur Achsrichtung ein vorhandenes "Spiel" der Radlager erkennen. Dreht man das Rad muss sich dies leichtgängig drehen lassen und es dürfen keine Geräusche (abgesehen von leichtem Kratzen der Bremsbeläge an den Bremsscheiben und der Bewegung der Kettenglieder bzw. dem Antrieb) hörbar sein.
Bremsen
Ist der Siedepunkt der Bremsflüssigkeit noch ausreichend hoch?
Sind die Bremsschläuche nicht porös und rissig?
Weisen die Bremsscheiben keine größeren Riefen auf und lassen sich die Räder ohne Schleifgeräusche leicht drehen?
Haben die Bremsbeläge noch eine ausreichende Stärke?
Funktioniert das Bremslicht sowohl bei Hand- als auch bei Fußbremsbetätigung?
Sind die Betätigungshebel nicht zerkratzt oder verbogen?
Motor
Wann war das letzte Service, was wurde dabei gemacht und was ist beim nächsten Service zu machen?
Ist ein Ölverlust erkennbar? (Leicht feuchte Stellen kommen schon mal vor; im Bereich der Zylinder sowie des Zylinderkopfes sollte das Motorgehäuse jedoch keine Leckagen aufweisen da dies auf eine kaputte Zylinderkopf- und/oder Ventildeckeldichtung hinweist.)
Funktioniert die Kaltstartvorrichtung? (Joke)
Laufen alle Zylinder einwandfrei? (Kompression messen!)
Nimmt der Motor in jeder Lage und auch nach längerem Leerlauf anstandslos Gas an?
Rutscht die Kupplung nicht?
.....hier könnte man unzählige "Testmöglichkeiten" anführen. Wer sich nicht sicher ist ob der Motor wirklich einwandfrei läuft, der sollte unbedingt auf die Erfahrung eines Profis zurückgreifen und diesen das Motorrad durchchecken lassen.
Getriebe
Ähnlich wie beim Motor hört und fühlt der Profi hier oft gleich wenn etwas nicht stimmt.
Vom Laien kann Folgendes geprüft werden:
Lassen sich alle Gänge leichtgängig einlegen und springen sie beim zügigen Beschleunigen auch nicht wieder heraus?
Lässt sich auch bei höheren Drehzahlen anstandslos herunterschalten?
Ist der Leerlauf problemlos einzulegen?
Kettensatz
Wurde dieser breits einmal gewechselt oder steht bald ein Austausch an?
Der Tausch des Antriebssatzes ist bei vielen Motorrädern eine zeitaufwändige Angelegenheit. Besonders bei stärkeren Motorrädern werden Endlosketten eingesetzt, für deren Einbau die Hinterradschwinge ausgebaut werden muss.
Die Kette sollte keine Glieder aufweisen, die nach oben oder unten aus der Flucht laufen ("Ecken" machen). Dies kann zu Verspannungen der Kette führen die als Knacken beim Drehen des aufgebockten Hinterrades auch zu hören sind. Zu testen wie weit sich die Kette vom hinteren Kettenrad abheben lässt gibt auf Grund der bereits ab Werk vorgelängten Kette nur unzureichend Aufschluss über deren Zustand. Einfach einen Blick auf das Kettenrad und wenn leicht möglich auch auf das Ritzel werfen. Sind die Zähne bereits einseitig deutlich abgenutzt oder gar spitz zusammenlaufend so gehört der Antriebssatz (Kette, Ritzel und Kettenrad) getauscht. (Die Räder einfach um 180 Grad zu drehen ist keine Lösung!)
Der Vorbesitzer
Was für einen Eindruck macht der Besitzer des Bikes auf Euch?
Raser oder Cruiser? (Ringfahrer?)
Hat er das Bike selber gewartet und kennt sich auch aus oder ist er ein "Bastler" der nur denkt sich auszukennen? Bikes von Möchtegernschraubern sollte man keinesfalls kaufen. (Aus eigener Erfahrung rate ich hiervon dringendst ab!)
Ist ein Servicenachweis vorhanden?
Wurde das Bike meistens alleine oder mit Sozius gefahren?
Was für einen Eindruck macht das Bike auf euch?
Ist es gepflegt?
Wurden regelmäig Service durchgeführt?
Passen die Abnützungserscheinungen mit dem Kilometerstand überein?
Wie sind die Reifen abgefahren? (Hinaus bis zur letzten Rille lässt auf eine materialfordernde Fahrweise schließen, Gummifussel auf Ringeinsatz)
HAFTUNGSAUSSCHLUSS
Die hier angeführten Tipps entspringen jahrelanger Erfahrung passionierter Hobbyschrauber, Biker und Mechaniker. Dennoch kann kein Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der hier angeführten Punkte übernommen werden.